Am 2. Prozesstag wurden zwei Freunde von Krys, die mit ihm in der Tatnacht zusammen waren, als Zeugen befragt. Das aggressive und erniedrigende Verhalten der Anwälte Günal und Krösing gegen Zeugen und Nebenklagevertretung setzt sich auch an diesem Tag fort. Die beiden Zeugen ließen sich von den steten Herabwürdigungen und Provokationen aber kaum beirren.
Zu Beginn des Tages wurde erklärt, dass die Ehefrau von Hans-Josef Bähner, Frau J. Hennes, von ihren Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch mache. Später erklärt sich dies, denn die Ehefrau war in der Tatnacht ebenfalls präsent, wie die Zeugen übereinstimmend berichten.
Hier folgen die Aussagen der beiden Zeugen, die die Version Bähners endgültig als frei erfunden entlarven. Ihre Berichte bestätigen grundsätzlich die Version von Krys vom ersten Prozesstag, unterscheiden sich aber in Details: So war A. sehr nah dran am Geschehen, als der Schuss fiel, während L. etwas weiter entfernt stand. A. hatte mit Krys Wodka-Orangensaft getrunken und sich einen Joint geteilt. Die zwei anderen, B. und L., blieben nüchtern.
1) Die Tatnacht
Am Grundstück von Bähner bellte ein Hund, so dass die vier stehen blieben. L. wich sofort mehrere Schritte zurück. Krys habe geflucht wegen des Bellens, ein älterer Mann kam aus dem Haus und wurde direkt aggressiv – es kam zum Wortgefecht zwischen Bähner und Krys, es seien rassistische Beleidigungen gefallen: Laut A. „sowas wie Dreckskanacken, Drecks Pack“, A. wisse jetzt den genauen Wortlaut aber nicht mehr. Krys habe Bähner unter anderem als „Missgeburt“ und Hurensohn“ beschimpft. Auch L. berichtet von Beschimpfungen wie „Verpisst euch, ihr Scheißausländer, ihr Scheißkanacken, verpisst euch, ihr Pack!“. L. habe außerdem eine Frauenstimme im Garten gehört, die die vier ebenfalls beschimpfte. Bähner und Krys standen sich gegenüber, die halbhohe Mauer trennte sie, berührt hätten sie sich aber laut A. und L. nie.
A. stand damals nur etwa einen halben Meter hinter Krys und habe schließlich versucht, Krys an der Schulter oder Hüfte nach rechts wegzuziehen und ihn zum Weitergehen zu bewegen. A. sah dann etwas in Bähners Hand, was waffenähnlich aussah. Er dachte aber nicht, dass es eine echte Waffe sei. L. hörte A. schreien, der Mann habe eine Waffe. Mit der zielte Bähner auf Krys, dieser habe mehrfach auch versucht, nach Krys zu schlagen. Auch L. hielt die Waffe nicht für eine Schußwaffe, da dies in Deutschland nicht üblich sei.
Krys habe sich im Weggehen noch ein letztes Mal Bähner zugewandt, Bähner habe dann gerufen, sie sollten doch rüber kommen. A. habe daraufhin einen Schuss gehört, hatte selbst aber gerade weggeschaut. L. habe den Schuss einige Meter weiter entfernt nicht nur gehört, sondern auch das Mündungsfeuer gesehen: Auf der Höhe der Mauer in Richtung von Krys. Dessen Abstand zu Bähner betrug laut L. weniger als einen Meter, die Mauer dazwischen.
Die vier Freunde hatten sich dann schnell entfernt und erst ein paar Meter weiter, auf dem Weg zur Hauptstraße, habe L. entdeckt, dass Krys sich öfter an die Schulter griff. Sie haben dann gemerkt, dass Krys blutete, L. rief daraufhin die Polizei an, A. habe die Wunde gefilmt und Krys seelischen Beistand geleistet, auch er selbst stand unter Schock. Als die Polizei kam, habe A. der Polizei das Haus des Schützen gezeigt, die drei wurden dann mit auf die Wache genommen.
2) Psychische Folgen
A. berichtet, sie litten alle unter psychische Folgen. Krys habe sich seitdem verändert, er sei sehr zurückhaltend und vorsichtig, ängstlicher, nicht mehr weltoffen. Er selbst habe nachts Angst und Panikzustände, er habe Haarausfall im Bart. Dem Hautarzt zufolge, den er zwei Monate nach der Tatnacht aufgesucht hatte, sei dies stressbedingt. In den ersten Monate habe er Schlafprobleme gehabt und meidet seitdem den Ort in Porz.
L. schildert ebenfalls, dass Krys das Erlebte belaste, dieser sei in therapeutischer Behandlung. Er selbst habe viel darüber nachgedacht, was gewesen wäre, wenn die Kugel Krys tödlich getroffen hätte. Jetzt zum Prozess kämen diese Gedanken wieder hoch. L. habe mit seinen Eltern und Geschwistern viel über das Erlebte gesprochen.
3) Die Vernehmungen der Zeugen in der Tatnacht
Die drei Freunde wurden in der Tatnacht am frühen Morgen auf der Wache vernommen. Der Alkohol und die Tat hatten A. zugesetzt, er hatte sich während er Vernehmung zweimal übergeben. A. und L. wurden beide auf Schmauchspuren untersucht, mit der Begründung, Bähner habe gesagt, die vier hätten dessen Waffe genommen und damit mehrfach in die Luft geschossen. Auch L. bestätigt, er sei auf Schmauchspuren untersucht worden, da der Angeklagte ausgesagt habe, dass nicht Bähner, sondern sie die Waffe gehabt hätten.
4) Befragung durch den Richter und die Strategie der Verteidigung
Der Vorsitzende Richter Ernst übernahm an diesem Tag stärker die Rolle, die am 1. Prozesstag Günal und Krösing innehatten und befragte A. über etwaige Kommunikation mit den anderen Zeugen in der Zeit nach der Tatnacht, über das Geschehene und die rassistischen Äußerungen.
Die Strategie der Verteidigung war es offensichtlich, die Zeugen durch wiederholtes Vorhalten früherer Aussagen zu irritieren und möglichst als unglaubwürdig darzustellen. Die Verteidigung beschwerte sich demzufolge unaufhörlich über vermeintliche Erinnerungslücken der Zeugen.
Das rassistische Motiv Bähners wird von der Verteidigung weiterhin zu leugnen versucht – mithilfe des Konstrukts, die vier Betroffenen hätten sich erst im Nachhinein zu einer solchen Beschuldigung verabredet. Zweitens dient der Verteidigung als Beleg für das angebliche Fehlen eines rassistischen Motivs, dass die rassistischen Beleidigungen in den ersten Zeugenvernehmungen nicht wörtlich genannt worden waren.
Auf die Frage des Richters, woran sich Bähner gestört haben könnte, vermutete A., weil die vier vor dem Grundstück standen. Sie könnten nicht zu laut gewesen sein, Bähner habe sie auch nicht darum gebeten, ruhiger zu sein.
„Aber was hat denn zum Schuß geführt?“ – „Das müssen sie doch Bähner fragen!“
A. wurde zudem gefragt, warum Bähner nicht weiter geschossen habe. Dieselbe Frage habe A. in der Vernehmung damit beantwortet, er glaube, es könne so etwas wie ein Warnschuss gewesen sein – eine Steilvorlage für die Verteidigung Bähners! Im Prozess schränkte A. diese Vermutung ein: „Ein Warnschuss gehe ja in die Luft und nicht in den Körper.“ Je mehr er darüber nachdenke, desto mehr gehe er nun davon aus, dass es kein Warnschuss war, sondern ein gezielter Schuss.
Die Polizei habe am 14.01.20 versucht, A. vorzuladen. Laut Richter sollte nachgefragt werden, was der genaue Inhalt der beleidigenden Aussagen gewesen sei. Diese 2. Vernehmung fand am 15.01.20 statt. An Details der Vernehmung erinnerte sich A. nicht mehr. Er habe damals auf Nachfrage ausgesagt, sie seien mit „Scheißkanacken oder Scheißausländer – eins von beidem“ beschimpft worden. Die Frage, ob A. mit den anderen zwischen den Vernehmungen darüber gesprochen, ob es ausländerfreindliche Beschimpfungen gab, verneinte A., er habe außer mit Krys mit keinem gesprochen.
Der Richter fragte auch, ob er Krys schonmal alkoholisiert erlebt habe und dieser aggressiv geworden sei, was A. verneinte. Der Richter hielt A. eine Verurteilung wegen Körperverletzung und Beleidigung vor. Es klärte sich auf, dass dies eine Verwechslung war.
5) Bähner und die Tatwaffe
Zur Tatwaffe befragt sagte A. aus, er erkenne die Bernadelli wieder, die Smith & Wesson könne er als Tatwaffe aufgrund der Größe ausschließen. Auch L. vermutete später am Tag die kleinere der beiden Waffen als die Tatwaffe.
A. erinnert sich in der Vernehmung, Bähner habe mit der Waffe herumgefuchtelt, aber nicht mehr. Ihm wurde aus den früheren Aussagen vorgehalten, die Waffe sei in Bähners rechter Hand und nach oben gerichtet gewesen. A. schilderte, die Waffe war 100% auf seinen Freund gerichtet gewesen. Auf Nachfrage des Staatsanwalts bestätigte er, auch A. selbst habe von der Kugel getroffen werden können, er habe ja direkt hinter Krys gestanden.
Wohl mit Bezug auf die Einlassung Bähners fragte der Richter, ob damals einer der vier behauptet hätte, er sei von der Polizei. A. verneinte dies: „Mit Jogginghosen? mal ehrlich…“. L. hatte auf Nachfrage nicht wahrgenommen, dass Bähner gefragt habe, ob dieser die Polizei verständigen sollte.
Der dem Prozess beiwohnende Rechtsmediziner Rothschild fragte, ob Bähner die Waffe immer in derselben Hand gehalten habe, A. wusste dies nicht. Die Nachfrage, ob Bähner auch einmal beide Hände an der Waffe hatte, konnte A. nicht beantworten. L. erinnerte sich, Bähner habe die Waffe in der rechten Hand gehalten.
Ob Krys während der Auseinandersetzung etwas in der Hand hielt, verneinte A. Auf die Frage, wo die Wodkaflasche während dessen war, vermutete er, sie habe am Rand oder auf der Mauer gestanden. Sie haben sie danach entweder stehen lassen oder mitgenommen, A. und L. wussten dies beide nicht mehr.
Auf die Nachfrage, ob Krys oder einer der anderen gegen Bähners Hand oder Arm geschlagen hätte, bekräftigten sowohl A. wie auch später L., dass es keinerlei Körperkontakt zu Bähner gegeben habe.
Rothsschild fragte schließlich, ob Bähner beim Fuchteln irgendwo gegengeschlagen und sich selbst verletzt habe. A. und später L. erinnerten sich daran nicht.
6) Praktizierte Täter-Opfer-Umkehr
Auf Nachfrage berichtet A. von seinem Eindruck der Berichterstattung in den Medien: die vier jungen Männer werden als die Täter beschrieben, auch die CDU habe sich nicht positioniert. Richter und Verteidigung fragten, ob er und Krys sich zwischen den Vernehmungen in der Tatnacht und Mitte Januar ausgetauscht hätten, was A. verneinte. Den Anlass der zweiten Vernehmung kannte A. nicht.
Günal verlangte die Herausgabe der Handys der Zeugen, auf dem sich Nachrichten mit den Freunden befanden, dies lehnten A. und L. ab, beide hätten zudem neue Telefone.
Auch notierte die Verteidigung sich für eine mögliche Vorladung Namen und Adresse des Arbeitgebers von A., der über die psychischen Folgen von A. informiert sei. Zudem sollte A. seinen Hautarzt von der Schweigepflicht entbinden, die Zeugen hätten laut Günal „ja nichts zu verbergen“, was A. ebenfalls ablehnte.
Die rassistischen Äußerungen
Auf die Frage Günals, ob A. sich angesprochen gefühlt habe von den Beleidigungen, sagte A., er habe versucht, sie zu ignorieren. An Günal gerichtet sagte er: Ich weiß nicht wo er herkomme, aber wenn Günal Ausländer wäre und ihn jemand als Scheißkanacke beleidigt, da müsse er doch überlegen, wie er darauf reagiert: Geht er weiter? Geht er verbal darauf ein? Oder zieht er eine Waffe und schießt?
A. sollte Günal dann beantworten, warum in der ersten Vernehmung nichts zu rassistischen Beleidigungen gesagt wurde. A. erwiderte, der Schuss habe Priorität gehabt. Günal fragte dann, wann denn „die Erinnerung an die ausländerfeindlichen Beleidigungen zurückgekommen“ sei, ein anderes Mal äußerte Günal zu A. sinngemäß: „Wir haben was gemeinsam: den ausländischen Hintergrund. Aber ich kann mich erinnern, wenn ich beleidigt werde.“
Günal beharrte weiter auf der Frage, warum die rassistischen Beleidigungen nicht direkt am ersten Abend genannt worden seien, sie hätten dazu mehrere Gelegenheiten gehabt: Beim Anruf bei der Polizei, direkt vor Ort und dann bei der Befragung auf der Wache. L. erwiderte, dass wohl der Schock die Ursache war.
L. habe seinen Freund Krys am Abend des 30.12. im Krankenhaus besucht, sie hätten aber nicht über Details der Tatnacht gesprochen – etwa wie es dazu kam und wie Krys das Geschehene wahrgenommen habe, berichtete L. auf Nachfragen des Richters. Vor der zweiten Vernehmung habe er kaum Kontakt mit den anderen gehabt, mit Krys und A. habe er Nachrichten geschrieben, allerdings nicht über die Tatnacht oder über Medienberichte, sondern sich nach dem Befinden erkundigt.
Krys arbeite in einer Sicherheitsfirma, was die Verteidiger als befremdlich bezeichneten. Die Verteidiger sprachen Krys traumatische und gesundheitliche Folgen der Tat ab, da er eine Ausbildung als Sicherheitsfachkraft mache, die Folgen könnten ja dann nicht so schlimm gewesen sein.
Verteidiger Krösing monierte, L. habe keinerlei Erinnerungen an den Vorfall – vorgeblich aufgrund seines Schocks, Krösing bezeichnete es als auswendig gelernte Worthülsen zu den rassistischen Beleidigungen, die in den ersten 3 Vernehmungen aber keine Rolle gespielt haben. Krösing unterstellte daher eine Absprache der Zeugen.
A. und L. können sich an bestimmte Details der Tatnacht nicht mehr genau erinnern – zwei Jahre nach der Tat! Diese überzeugende Erklärung wurde aber im Gericht gegen die Zeugen verwendet: Die Verteidigung zweifelt an der Glaubwürdigkeit der Aussagen. Diese würde gezielt verweigert und es habe Absprachen hinsichtlich einer „gemeinsamen Gegenstrategie“ zwischen den Zeugen gegeben. Einzig die Vertreterin der Nebenklage hatte eine alternative Deutung anzubieten: Der Zeuge sei einfach erschöpft nach drei Stunden Befragung und bräuchte eine Pause.
FAZIT
Der 2. Prozesstag zeigte noch einmal klar und deutlich, dass die Schilderungen der Geschehnisse der Tatnacht durch die Zeugen, ergänzt durch einen Mitschnitt des Notrufs, sämtlich der Version Bähners widersprachen, die er in seiner Einlassung hatte verlesen lassen.
Die Verteidigung setzte ihre Strategie der Täter-Opfer-Umkehr weiter fort. Die Zeugenbefragung glich erneut einem Verhör. Durch die aggressive und empathielose Befragung wurden die Zeugen über Stunden hinweg herabgewürdigt und unter Druck gesetzt.