Inkompetenz und die Ignoranz bei den staatlichen Ermittlungsbehörden

Am 5. Prozesstag wurden der Leiter der Mordkommission und der Ermittlungen gegen Bähner, drei weitere Polizeibeamt*innen sowie ein Gutachter gehört. Der Tag war erkenntnisreich, weil er deutlich machte, wie wenig ernst das rassistische Tatmotiv durch die Ermittlungsbehörden zunächst genommen und verfolgt wurde. Erst nachdem sich die Betroffenen über mediale Berichterstattung Gehör verschafften und dies zu Anrufen bei der Polizeipressestelle führte, wurden Nachvernehmungen und Ermittlungen in Hinblick auf Rassismus durch den leitenden Beamten eingeleitet.

1. Polizeizeuge L., Leiter der Mordkommission

Der vernommene Kriminalbeamte war der Ermittlungsleiter der Mordkommission. Er koordinierte den Einsatz in der Tatnacht, vernahm selbst aber nur die Ehefrau von Bähner.

Die Befragung drehte sich zunächst um seine Erinnerungen an die Tatnacht und die Koordination des Einsatzes. Danach wurde er insbesondere hinsichtlich seines Schlussvermerks in der Akte und der Frage nach seiner Bewertung eines ‚fremdenfeindlichen‘ Motivs der Tat und zur Auswertung des Facebook-Profils von Bähner befragt. Er sollte beantworten, ob dort geteilte oder verfasste Posts als rechtsextrem zu bewerten seien und wie das Facebook-Profil gesichert wurde.

Erinnerungen an die Tatnacht – Ablauf der Ermittlungen

In der Tatnacht hat Polizeizeuge L. ein Team zum Tatort geschickt und im Anschluss die Vernehmungen von Krys im Krankenhaus, der drei Freunde sowie von Bähner und seiner Frau veranlasst (bzw. selber durchgeführt).

Im Prozess erklärte Polizeizeuge L., er habe erst aus der Presse erfahren, dass die Tat möglicherweise einen rechtsextremen Hintergrund gehabt haben soll. „Es mag sein, dass in Zeugenvernehmungen von fremdenfeindlichen Beleidigungen die Rede gewesen ist, ich habe die Äußerungen aber nicht so bewertet, dass es eine fremdenfeindliche Tat gewesen ist“.

Dies steht im Widerspruch zu den Aussagen der beiden Vernehmungsbeamtinnen, die Krys in der Nacht im Krankenhaus vernahmen: Beide berichteten wiederholt davon (siehe die Berichte weiter unten), dass Krys in der Nacht sehr aufgewühlt gewesen und das Gespräch zwar nur sehr kurz gewesen sei, Krys jedoch mehrfach betont habe, dass Bähner „negative Aussagen“ über Ausländer gemacht habe. Dies bestätigt Krys‘ Zeugenaussage am ersten Prozesstag.

Die Wahrnehmung der Polizei änderte sich offenbar mit der Ausstrahlung eines Fernsehbeitrags des WDR (Köln Lokalzeit) am 9.10.2020 (siehe hier auch den Bericht über die Aussage der Polizeizeugin H. weiter unten). In dem Fernsehbeitrag schilderte Krys anonym von dem Erleben in der Tatnacht und von den rassistischen Beleidigungen.

Weiterhin thematisiert der Fernsehbeitrag das Facebook-Profil Bähners und die von ihm geposteten rassistischen Beiträge, die ein Rechtsextremismus-Experte in dem Beitrag inhaltlich auswertete und einordnete. Daraufhin nahmen der Polizeizeuge L. und die Polizeibeamtin H. Kontakt zu dem Experten auf und informierten sich über dessen Erkenntnisse.

Als die Ermittlungsbeamt*innen das Facebook-Profil Bähners am Tag nach der Ausstrahlung dann selbst sichern wollten, sei dieses dem Rechtsextremismus-Experten zufolge bereits umfangreich gelöscht worden, und zwar in einem Umfang und mit einem Wissen, über das ein Laie nicht verfüge. Die Löschung sei im Gegenteil sehr professionell vorgenommen worden, berichtete Polizeizeuge L. den Bericht des Experten wiederholend. Die von der Polizei hinzugezogenen Kolleg*innen hätten das Profil auch nicht wiederherstellen können.

Welche Beiträge und wie umfangreich gelöscht wurde, wisse Polizeizeuge L. nicht. Auf Rückfrage des Staatsanwalts erklärte er, keine „zweifelsfreien rechtsextremen“ Hinweise gefunden zu haben, da es z.B. keine Freundschaften mit AfD-Politikern gegeben habe. Daraufhin schränkte er seine Kompetenzen jedoch selbst ein: er sei Laie in Hinblick auf politisch motivierte Kriminalität.

Auf Nachfrage des Staatsanwaltes, wie Polizeizeuge L. den Zusammenhang des WDR-Berichts und dessen Inhalte, die Erkenntnisse aus den Nachbefragungen und dem Facebook-Profil sehe, räumte Polizeizeuge L. ein, die Inhalte des Facebook-Profils seien „schon kritisch, keine Frage“. Ein rechtsextremer Hintergrund ließe sich aber für ihn weiterhin nicht erkennen. Als „kritische Posts“ verstände er Posts, die z.B. gegen „Flüchtlinge oder andere Parteien“ oder mit einem „sarkastischen Unterton unterlegt“ seien. Als er dies konkretisieren soll, berichtet er von einem Post von Bähner zu einem Antrag der SPD zur Waffenverschärfung (O-Ton des Posts sei laut Polizeizeuge L.: „Wo kämen wir hin, wenn Einbrecher ungestraft davon kämen, wenn sich Bürger nicht mehr wehren dürfen?“) oder zur Asylpolitik Schwedens.

Die Nebenklage hielt dem Zeugen daraufhin Posts von Bähners Profil vor, die gegen geflüchtete Menschen hetzten und bat ihn um eine Einordnung dieser Inhalte. Polizeizeuge L. ordnete diese als „kritisch“ oder „grenzwertig kritisch ein“, sähe hier aber keinen Straftatbestand oder gar rechtsextreme Äußerungen. Die Frage, ob er denn aufgrund dieser mangelnden fachlichen Kompetenz polizeiinterne Expert*innen hinzugezogen hätte, um den Sachverhalt zu bewerten, verneinte Polizeizeuge L. Hierfür sah er keinen Anlass, da er den Hintergrund als nicht eindeutig rechtsextrem einschätzte. Polizeizeuge L. sagte, er hatte „zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass die Situation anders gewesen wäre, wenn Beteiligte ‚optisch Deutsche‘ gewesen seien“. Zwischen dem Facebook-Post zur Einschränkung des Waffenrechts und dem aufgefundenen Waffenlager sehe er indes einen Zusammenhang, da er bei Bähner eine große Waffenaffinität feststelle.

Nachvernehmungen und Glaubwürdigkeit der Zeugen

Nach dem WDR-Bericht erfolgten dann kurzfristig terminierte Nachvernehmungen von Krys und seinen Freunden. Diese Nachvernehmungen übernahm Polizeibeamtin H. (hierzu siehe weiter unten). Jedoch erklärte Polizeizeuge L., dass sich Krys nun an mehr Details erinnern konnte und sich die Aussagen der Zeugen ähnelten. Dies fand er beides schlüssig: Gedächtnislücken in der Nacht seien nachvollziehbar, da Betroffene oft unter Einfluss von Narkotika z.B. von einer OP stünden oder sich nach dem Erlebten in einem Ausnahmezustand befänden. Dass sich nach ein paar Tagen mehr Erinnerungen abrufen lassen, sei nicht ungewöhnlich und mache Krys‘ Aussagen für ihn nicht unglaubwürdig. Auch dass sich Aussagen angleichen, fand er aus seiner beruflichen Praxis heraus nachvollziehbar.

Schlussvermerk und Rassismus als Tatmotiv

Im Schlussvermerk in der Akte vom 19.02.2020 heißt es u.a. dass die Schussabgabe nicht abschließend geklärt werden konnte. Dies begründet Polizeizeuge L. mit der eigenen Bewertung der Aktenlage sowie seinen kriminalistischen Erfahrungen. Die Ermittler*innen hätten nicht eindeutig klären können, ob eine Tötungsabsicht bestanden hätte, da der Täter ja nicht weiter geschossen hätte. Bei einem Schuss aus nächster Nähe wäre bei einer Tötungsabsicht anderes geschehen, so der Ermittlungsleiter L.

Auch ob eine rechtsextreme Handlung vorgelegen hätte, hätten sie nicht klären können. Das politische Motiv der Tat sei den Ermittler*innen lange Zeit verborgen geblieben, so Polizeizeuge L. und hätte sich ihnen nur durch Interviews und Nachbefragungen offenbart.

Die Hinweise der Zeugen aus der Tatnacht, die auch in der Akte festgehalten wurde, wertete Polizeizeuge L. nicht als ‚fremdenfeindlich‘. Er sagte, dass ihm vorher dazu keine Erkenntnisse vorgelegen hätten. Über die rassistischen Beleidigungen und die Berichte der Betroffenen/Zeugen sagte er: „Mag sein, dass Beleidigungen ausgesprochen wurden, die so empfunden worden sind.“

Weiterhin vermerkte der Polizeizeuge L. ein „Handgemenge“ in dem Schlussvermerk. Auf Nachfrage des Staatsanwaltes musste er einräumen, er könne sich nicht erinnern, worauf dieser Vermerk basierte. Er habe in seiner Erinnerung keine Anhaltspunkte, dass Krys handgreiflich tätig geworden wäre. Das Gerangel habe er hinein interpretiert.

Festnahme Bähners

Das Haus wurde in der Tatnacht umstellt. Nach telefonischem Kontakt mit Bähner wurde er aufgefordert, das Haus zu verlassen. Er trat vor die Türe, leistete keinen Widerstand und wurde festgenommen. Laut Polizeizeuge L. hatte die Leitstelle den Telefonanruf getätigt, er dauerte 5 Minuten und 43 Sekunden. Was Inhalt dieses Gesprächs war und wer dieses führte, konnte keine*r der Zeug*innen beantworten.

Bähner habe in der Tatnacht gegenüber anderen Beamt*innen behauptet, die Gegenseite hätte geschossen und danach die Waffe in den Garten geworfen und er solle nun dafür geradestehen. Nach der Übernahme Bähners durch die Mordkommission habe Bähner keine weiteren Einlassungen gemacht.


2. Polizeizeugin K.

Die Zeugin ist Kriminalbeamtin und war zum Tatzeitpunkt auf der Kriminalwache. Sie führte mit ihrer Kollegin N. eine Befragung von Krys im Krankenhaus durch.

Sie fuhr am 30.12. um 1.15 Uhr ins Krankenhaus Merheim, um dort Krys zu befragen. Sie hatte keinerlei weitere Informationen vorab zur Tat. In einer kurzen Übergabe sagten die Kolleg*innen, dass junge Leute in Porz am Ufer gewesen seien, wären laut und alkoholisiert gewesen, dann hätte es einen Streit mit einem älteren Herrn gegeben. Dessen Grundstück sei direkt am Rhein, wo sie sich hingesetzt hätten. Dann kam es zum Streit und einer Schussabgabe.

Polizeizeugin K. machte während der Befragung handschriftliche Notizen: dies seien sinngemäße Angaben und nicht wortwörtlich zu verstehen. Im ihrem Bericht fänden sich manche Ausgaben mit Anführungszeichen, diese seien sinngemäße Wiedergaben der Antworten. Polizeizeugin K. kann sich nicht daran erinnern, ob sie zunächst mit Krys oder zuerst mit dem Arzt gesprochen hat. In der Regel würde der behandelnde Arzt vorab gefragt, da erst dann zum Zeugen gegangen werden kann. Der Arzt habe ihr die Schussverletzung geschildert und dass kein Projektil gefunden wurde. Zum Zustand von Krys habe Polizeizeugin K. keine Erinnerung. Wäre der Zeuge nicht vernehmungsfähig gewesen, so hätte der Arzt sie aber nicht zu ihm gelassen, daher leitet sie ab, „dass da nichts gewesen sein“ wird.

Ihr Auftrag sei es gewesen, zu klären, ob es weiteren akuten Handlungsbedarf gebe, die Befragung dient in dem Fall als erste Feststellung. Polizeizeugin K. hatte nicht den Eindruck, dass sie von Krys nach 10 Minuten noch weitere Informationen hätte bekommen können, da Krys sehr „überdreht gewesen sei“.

Ob Krys sich in der Lage gefühlt habe, die Fragen zu beantworten, wusste Polizeizeugin K. nicht mehr, nahm aber an, dass sie ihn gefragt hatte und er einverstanden war. Da kein Hinweis darauf in dem Vermerk sei, gehe sie nicht davon aus, dass Krys das Gespräch abgebrochen habe. Krys habe ihrer Erinnerung nach davon gesprochen, dass es zu Beleidigungen gekommen sei. Nur dass Bähner sich negativ über Ausländer geäußert habe, habe Krys damals angegeben, etwas Konkreteres habe er nicht gesagt, dazu sei Krys nach ihrer Einschätzung nicht in der Lage gewesen.

3. Polizeizeugin N.

Polizeizeugin N. war mit Polizeizeugin K. im Dienst und bei der Befragung von Krys im Krankenhaus dabei. Ihre Kollegin habe die Fragen gestellt. Auch sie schrieb ihre Eindrücke anschließend in einem Aktenvermerk auf. Krys habe immer wieder davon geredet, dass Bähner Negatives über Ausländer gesagt habe. Er habe sie gebeten, die Mutter anzurufen. Das hätten die Ärzte dann gemacht.

4. Polizeizeugin H.

Polizeizeugin H. ist Teil der Mordkommission und war sowohl in der Tatnacht vor Ort in Bähners Haus und an den weiteren Ermittlungen beteiligt, so hat sie u.a. die Nachvernehmungen von Krys und seinen Freunden geführt.

Polizeizeugin H. wurde in der Tatnacht in den Dienst gerufen und fuhr nach einer kurzen Einweisung zum Tatort. Hier waren Kolleg*innen von der Kriminalwache bereits vor Ort, zeigten ihr und dem Team den Tatort, gingen dann ins Haus und zeigten Fundorte von einigen Waffen: Im Schlafzimmer wurde eine Waffe in einem Korb und ein Revolver in einer Nachttischschublade gefunden.

Während das Haus weiter durchsucht wurde, hielt sich Polizeizeugin H. mit der Ehefrau von Bähner in einem Raum auf, zur Sicherung. Erst zum Schluss war Polizeizeugin H. wieder an der Durchsuchung beteiligt. Hier war sie mit im Keller, wo in mehreren Räumen Waffen gefunden wurden. Die Örtlichkeit außen wurden durch den Erkennungsdienst aufgenommen. Die Durchsuchung des Hauses dauerte von ca. 3 Uhr nachts bis zum Mittag.

Parallel dazu wurden auf der Dienststelle erste Vernehmungen geführt. In einer ersten Dienstbesprechung/Abschlussrunde am Ende des Tages wurden die Geschehnisse zusammen getragen. Polizeizeugin H. sagte aus, dass hierbei keine Hinweise auf rassistische Aussagen oder Motive für den Streit und die Schussabgabe vorkamen.

Eine Einsatzrecherche ergab keine Belege für vermehrte Ruhestörungen, weder an dem Abend wurden Ruhestörungen dokumentiert, noch sei der Ort sonst ein „Brennpunkt“.

Am 6.1.2020 erfolgte eine Auswertung von Bähners Mobiltelefon. Die Auswertung der Handydaten ergab keine Auffälligkeiten. Nur ein unbekannter Anruf sei am Abend eingegangen. Polizeizeugin H. vermutete, dass dies die Leitstelle war. Das Telefonat dauerte knapp 6 Minuten. Auf Nachfrage konnte sie aber nicht beantworten, wer genau diesen Anruf getätigt hat oder was für Inhalte hier gesprochen wurden.

Laut der Angaben von Polizeizeugin H. sei es üblich, dass es nach einer ersten Vernehmung im Krankenhaus eine weitere Nachvernehmung gebe. Krys wollte am 10.01. seine Schlüssel in der Dienststelle abholen, da aber am 9.01.2020 der WDR-Beitrag lief, änderte sich „die Thermik in der Dienststelle“, so dass Polizeizeugin H. beauftragt wurde, Krys und seine Freunde zeitnah erneut zu vernehmen, da sich neue Hinweise ergeben hätten, nämlich auf ein rassistisches Motiv. Polizeizeugin H. vermutete, dass es Anrufe an ihren Vorgesetzten von höheren Dienststellen sowie Pressenachfragen gegeben hätte.

Den WDR-Bericht sahen sie sich in der Nachvernehmung gemeinsam an. Laut Polizeizeugin H. hätte Krys die Berichterstattung vorab geärgert und er wollte das richtig stellen. Das Video im WDR-Bericht, das die Schussverletzungen zeigt, hätte ein Freund von Krys erstellt und war der Polizei bis zu dem Bericht nicht bekannt.
Auf die Frage, wieso Krys diese Hinweise nicht in der ersten Vernehmung schon gegeben hätte, antwortete Krys wohl, dass er aufgrund der Schmerzmittel und von Erinnerungslücken sich nun erst langsam an alles erinnere, insbesondere auch durch Träume. Er sei in psychiatrischer Behandlung und hätte weiterhin Schmerzen.

Auch zwei weitere Freunde von Krys wurden am 10.01. vernommen, lediglich Krys‘ Freund Zeuge A. wurde am 15.01. nachvernommen.

Polizeizeugin H. war auch bei dem Gespräch mit dem Rechtsextremismus-Experten in Wuppertal dabei. Einen Vermerk habe sie darüber nicht gemacht. Sie haben sich die Facebook-Seite Bähners angeschaut, sie könne sich aber an die Inhalte nicht mehr erinnern.

5. Zeuge Gutachter R.

Das medizinische Gutachten von Krys beschreibt die Einschusswunde und Schmauchspuren: Die Schmauchspuren auf seiner Winterjacke weisen daraufhin, dass der Schuss aus nächster Nähe erfolgte. Es sei kein Aufschuss gewesen, da sonst auch Schmauchspuren an der Haut/Wunde gefunden worden wären, was nicht der Fall war. Dass es ein Durchschuss war, zeigen die verschiedenen Wundränder bei der Ein- und Ausschussstelle und die vorhandenen bzw. nicht vorhandenen Schmauchspuren an den Wunden.

Es wurden keine Knochen, Nerven oder Muskeln verletzt, dass Krys weiterhin über Beschwerden klagt, ist aber nachvollziehbar, da Narbengewebe immer Schmerzen verursacht. Dies sei auch nicht heil- bzw. therapierbar. Eine wesentliche medizinische Beeinträchtigung sei hierdurch laut Gutachter jedoch nicht gegeben.

Auch wenn in dem Moment keine konkrete Lebensgefahr für Krys bestand, gäbe es bei solch einem Schuss immer eine abstrakte Lebensgefahr. Denn die Kugel könnte auch sehr leicht den Hals oder Kopf, den Brustkorb, Herz oder Arterien treffen. Ein Schuss in diese Richtung ist laut Gutachter immer potenziell lebensgefährlich.

Das Krys den Schuss zunächst selbst nicht wahrnahm, sei dem Gutachter zufolge nachvollziehbar, da der Schuss Weichteile traf. Auch durch den Alkoholkonsum und durch eine allgemeine Erregung in solch einer Situation ist dies erklärbar. Ein Schuss wird in solch einer Situation in der Regel von Personen zunächst nicht bemerkt.

Der Oberarm von Krys muss in Linie der Schusshöhe gewesen sein, führte der Gutachter weiter aus. Eine Positionierung der beiden Personen zueinander sei dann bestimmbar, wenn der Standort des Schützen bestimmbar wäre.

Bähner wies laut Gutachter Spuren der Handfesseln an seinen Handgelenken sowie ein gebrochenes Endglied des Mittelfinger auf. Unklar und nicht durch das Gutachten zu klären, ist, wann genau der Finger gebrochen ist. Dies kann kurz vor, während oder nach der Tat geschehen sein. Auch sei unklar bzw. nicht feststellbar, ob der Finger gebrochen sei, weil jemand dagegen geschlagen hätte, oder weil der Finger gegen etwas/jemanden geschlagen wurde. Der Gutachter betonte, dass er nicht ausschließen könne, dass Bähner sich nach dem Ereignis die Verletzung selbst zugefügt habe. Fest stehe nur, dass es aufgrund einer stumpfen Gewalteinwirkung zustande gekommen sei.

Bei Bähner wurden bei der Blutentnahme 0,97 Promille festgestellt. Dies decke sich in etwa mit den Angaben seines Alkoholkonsums und der Zeit zwischen Tat und Blutentnahme. Zum Tatzeitpunkt schätzte der Gutachter den Promillewert auf zwischen 0,54-1,09, ein Mittelwert wäre hier 0,82 Promille. Der Gutachter wertete diesen Promillegehalt als enthemmenden Faktor, äußerte jedoch, dass dies kein Alkoholpegel sei, bei dem eine Person nicht mehr zur Selbstkontrolle oder Steuerung in der Lage sei.