Beweisaufnahme geschlossen – das Problem Rassismus bleibt

Zu Beginn des siebten Verhandlungstages wurden zunächst zwei weitere Verhandlungstermine bekannt gegeben: der 10.01. und der 31.01.2022, anschließend wurde die Beweisaufnahme fortgeführt.

An diesem Tag wurde die Polizeibeamtin angehört, die in der Tatnacht im Hause Bähner angerufen hatte, um diesen zur Aufgabe zu bewegen. Weiter war der behandelnde Arzt geladen, welcher Krys in der Tatnacht in der Notaufnahme behandelte. Nach der Inaugenscheinnahme weiterer Lichtbilder und der Verlesung von E-Mails hinsichtlich der Herkunft der Waffen wurden durch Verteidigung und Nebenklage weitere Beweisanträge gestellt. Die Verteidiger Bähners unterstellten dem Staatsanwalt Befangenheit.

Die Beweisanträge der Nebenklage wurden in Gänze abgelehnt. Diese beinhalteten auch den Antrag zur Ladung eines Sachverständigen, der den Zusammenhang zwischen Bähners rassistischen Facebook-Posts und seiner Gewalttat hätte analysieren können. Dieser sollte etwas zur Täterpersönlichkeit Bähners aufzeigen, welche parallelen zu anderen rechten Anschlägen aufweise:  Auch die Mörder von Halle und Hanau hatten ihren Hass zuvor im Internet ausgelebt, bevor sie zur Tat schritten.

Auch ein weiterer Antrag der Nebenklage, welcher die Erklärung eines Sachverständigen hinsichtlich der professionellen Löschung von Bähners rassistischen Posts auf seinem Facebook-Profil hätte belegen können, wurde abgelehnt. Weiter wurde seitens des Vorsitzenden abgelehnt den Polizeizeugen zu hören, der hätte belegen können, dass der Leiter der Ermittlungen nur Teile der Auswertung von Bähners Facebook-Profil in seinen Bericht aufnahm und es unterlies entsprechende Expert:innen innerhalb der Polizei hinzuzuziehen. Der Vorsitzende Richter erklärte die Beweisaufnahme stattdessen für beendet. So ist zu befürchten, dass das Gericht die Gewalttat von Porz verharmlost und Rassismus als Motiv für das Urteil unbedeutend sein wird. Im folgenden Prozesstag solle das Plädoyer der Staatsanwaltschaft gehört werden.

1. Die Polizeizeugin H. – Der Anruf der Leitstelle im Hause Bähners in der Tatnacht

Den Anfang machte die Polizeizeugin H., welche auf Antrag der Nebenklage geladen worden war. Sie soll von der Polizei-Leitstelle aus in der Tatnacht im Hause Bähner angerufen haben, um ihn zum Verlassen des Hauses zu animieren. Er sollte sich den Polizeibeamt:innen (die sein Haus zu diesem Zeitpunkt bereits umstellt hatten) ergeben. In den vergangenen Prozesstagen ging es bereits um dieses Telefonat, da unklar geblieben war, auf wessen Initiative hin die Entscheidung getroffen wurde das Haus des Schützen lediglich zu umstellen, es dann aber nicht zu stürmen. Stattdessen wurde erst telefonisch zu ihm Kontakt aufgenommen. Die an der Sicherung des Hauses beteiligten Polizeibeamt:innen hatten dieses Vorgehen  in den vergangenen Prozesstagen als „ungewöhnlich“ beschrieben. Die Polizeizeugin H. hingegen erklärte heute: „Das ist immer eine Option, ja.“

Weiter war bisher noch ungeklärt woher die Polizei die Telefonnummer hatte und ob sie tatsächlich auf Bähners Handy, oder auf dem Handy seiner Frau angerufen hatte. In seiner zu Prozessbeginn verlesenen Einlassung hatte Bähner angegeben, dass der Anruf der Polizei auf dem Handy seiner Frau eingegangen war, und diese zuerst mit der Polizei gesprochen hatte. Im Prozessverlauf wurde allerdings von Bähners Handy gesprochen, welches in der Tatnacht sichergestellt und anschließend ausgewertet wurde.  Dabei wurde ein Anruf festgestellt, der zwischen Tatzeitpunkt und den 45 Minuten bis zu seiner Verhaftung mit unterdrückter Nummer auf seinem Handy einging und ca. 6 Minuten andauerte. Die in den vorangegangenen Prozesstagen befragten Polizeizeug:innen gaben an, damals vermutet zu haben, dass dies der Anruf der Leitstelle gewesen sei. Sicher konnten sie es aber nicht sagen.

In ihrer Vernehmung gab die Polizeizeugin H. an, dass sie die Telefonnummer Bähners aufgrund eines früheren Vorfalls in ihrer Polizeiinternen Datenbank gespeichert hatten. Um welchen Vorgang es sich dabei konkret handelte konnte die Zeugin nicht benennen. Es könne eine frühere Zeugenaussage Bähners gewesen sein, z.B. von einem Unfall, oder auch andere Ermittlungsverfahren.

Ihr Vorgesetzter, Polizeiführer W., habe damals entschieden, dass im Hause Bähner angerufen werde. Sie sei dann damit beauftragt worden ihm die Idee zum Herauskommen und zur Aufgabe zu vermitteln. Den Grund für diese Entscheidung könne sie nicht erinnern.

Den Inhalt des Telefonats stellte die Polizeizeugin H. dann wie folgt dar:

Eine Frau ging ran, die Ehefrau, sie erklärte ihr Mann wäre anwesend und, dass niemand verletzt sei. Dann ging das Telefon an ihn. Ich erklärte, dass es eine Auseinandersetzung bei ihm vor dem Haus gab und wir mit ihm in Kontakt treten wollten. Ich hatte noch gefragt, ob es Waffen im Haus gäbe. Er sagte „Ja sicher, ich bin Sportschütze“, dann hatte ich gefragt, ob jemand verletzt sei, was er verneinte und dann wies ich ihn an, mit sichtbar leeren Händen das Haus zu verlassen.“ „Ok, mach ich“ sagte er.

Hier ist hervorzuheben, dass nach Aussagen der Polizeizeugin H. auf Nachfrage beide Eheleute angaben, dass es keine Verletzten / Verletzungen im Haus gäbe. Bähner hatte später im Rahmen seiner Verteidigung angeben lassen selbst Verletzungen an der Fingerbeere erlitten zu haben.

Auf die Frage wie sie die Stimmung im Haus wahrnahm erklärte die Polizeizeugin H.​​​​​​, dass sie nicht den Eindruck hatte, dass man überrascht gewesen sei, dass die Polizei um diese Zeit anrufe.  Auch habe keinerlei Nachfragen seitens des Ehepaares gegeben. Also beispielsweise warum die Polizei überhaupt vor Ort sei, was passiert oder ob jemand verletzt sei. Die Eheleute Bähner wirkten im Gegenteil sehr ruhig und stellten keinerlei Fragen. Auf die Frage was das Ehepaar zum Zeitpunkt des Anrufs wohl gemacht habe erklärte sie:

„Sie sind direkt rangegangen, also schien mir nicht so als hätten sie geschlafen“.

Weiter habe es keinerlei Auffälligkeiten in der Sprache Bähners gegeben. Weder eine schleppende Sprache noch erkennbare Beeinträchtigungen durch etwa Alkohol, Schlaf oder Drogen.

Auf die Frage des vorsitzenden Richters ob es seitens Bähnes Nachfragen zum Verlassen des Hauses gegeben habe, erklärte H.:

Es wurde etwas belächelt, dass er mit leeren Händen das Haus verlassen sollte. Den  genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr, aber so was wie: Ist das denn nötig? Er hat dann gesagt er zieht sich noch etwas an, Jacke oder so, und das Gespräch wurde von rascheln kurz unterbrochen. Nicht so als würde man sich komplett an- /umkleiden müssen, sondern eher so: Ich zieh mir mal eben ein Jäckchen über.

Auf die Nachfrage der Nebenklagevertreterin erklärte die Zeugin H. noch, dass sie ihrem Polizeiführer W. davon berichtet hatte, dass Bähner nicht überrascht gewesen sei. Dann war die Zeugenanhörung beendet, da die Verteidigung kein Fragen hatte.

2. Zum Ursprung der nicht auf ihn registrierten Waffen 

Als nächster Punkt wurde die E-Mail des Kreisinspektors für Waffen der Polizei Kerpen verlesen. In dieser teilte er mit, dass die Waffen einem Helmut S. gehört hatten, welcher im Jahre 2010 verstorben sei. In dessen Besitz hätten sich drei Waffen befunden. Der in Bähners Nachttisch gefundene Revolver seit 1977. Die Waffe der Marke „Bernadelli“, die Bähner als Tatwaffe nutzte bereits seit 1974.   In der E-Mail erklärt der Kreisinspektors für Waffen weiter, dass die Nichte der Ehefrau des Verstorbenen Helmut S. in Rösrath ermittelt und von der Polizeibehörde zum Verbleib der Waffen des Verstorbenen angeschrieben worden sei. Sie hätte jedoch keine Angaben zum Verbleib der Waffen machen können.

Auffällig war an dieser Stelle, dass die Identität des ehemaligen Waffenbesitzers nicht mit den Angaben Bähners übereinstimmte. Dieser hatte in seiner Einlassung zu Prozessbeginn verlesen lassen, dass er die beiden Waffen jeweils von unterschiedlichen verstorbenen Bekannten erhalten haben will. Die angegebenen Namen stimmten jedoch nicht mit denen des ehemaligen Besitzers S., auf den die Waffen registriert waren, überein. Somit blieb die Herkunft der Waffen, bzw. Angaben über den Weg, auf dem sie in Bähners Hände gelangten, weiterhin unaufgeklärt.

3. Dr. H. – Der Arzt in der Notaufnahme, der Krys behandelte 

Als nächstes wurde der Zeuge Dr. H. aufgerufen, welcher Krys am 30.12.2019, also in der Tatnacht, nach Eintreffen des Rettungswagens in der Notaufnahme behandelt hatte. Dieser gab an, dass er Krys nach seiner Ankunft gegen 1 Uhr nachts wegen 2 Schusswunden behandelt hatte. Krys sei stabil gewesen, habe aufgeregt gewirkt und viel geredet, auch über die Situation. Er berichtete er sei mit Freunden unterwegs gewesen, dann sei er mit einem älteren Mann in Streit geraten. Dieser habe dann auf ihn geschossen. Wie viele Schüsse ihn getroffen haben, hatte er nicht sagen können.

Krys sei dann zunächst untersucht worden und mittels Bildgebung hätten noch im Körper befindliche Projektile ausgeschlossen werden können. Zwischenzeitlich sei viel mit den Beamt:innen vor Ort telefoniert worden um die näheren Umstände der Verletzung aufklären und die Behandlung danach ausrichten zu können. Man habe versucht herauszubekommen um was für eine Waffe es sich gehandelt hatte um ggf. Rückschlüsse auf Projektile, deren Durchschlagskraft und etwaige Splitterung von Projektilen ziehen zu können. Die Polizei habe ihm dann mitgeteilt, dass die einzige Waffe, die sie vor Ort gefunden hätten, eine 9mm gewesen sei und sie nur Platzpatronen gefunden hätten. Da dies zu den vom ihm als gering eingeschätzten Verletzungen gepasst hatte, war bei der Behandlung nicht von einer Ein- und einer Austrittswunde ausgegangen worden, sondern von 2 Schüssen mit Platzpatronen. Beim Ertasten der Tiefe der Wunden habe er keine Verbindung feststellen können. Krys seien dann Antibiotika gegeben worden, da Schusswunden einen hohen Verschmutzungsgrund haben, dann sei Ibuprofen als Schmerzmittel gegeben und die Tetanus Impfung aufgefrischt worden. Anschließend sei Krys auf die Intensivstation verlegt worden.

Vom Vorsitzenden Richter auf Krys Alkoholisierung angesprochen erklärte Dr. H., dass der Blutalkoholspiegel nach Aufnahme bei 2,15 Promille gelegen habe. Zusätzlich habe Krys typische Anzeichen wie Rededrang und Alkoholgeruch aufgewiesen, woraus er Rückschlüsse auf den Alkoholkonsum gezogen habe.

Im weiteren Verlauf wurden Rückfragen seitens der vorsitzenden Richter:innen und des Staatsanwalts in Bezug auf die Wirkung des anschließend verabreichten Schmerzmittels Tilidin gestellt. Dieses wurde Krys nach Verlegung auf die Intensivstation – zusätzlich zum bereits gegebenen Ibuprofen – verabreicht. Auf Vermutung Dr. H.´s wohl auf Krys Wunsch hin, angesichts seiner starken Schmerzen.

Tilidin setze – im Gegensatz zu Ibuprofen – mehr an den Hirnrezeptoren an und habe daher eine zentralere Wirkung im Hirn.  Es führe zwar nicht zu Erinnerungslücken, verursache hingegen aber Schwindel, Übelkeit und führe zu einem verlangsamten und distanzierten Verhalten. Auch werde von den Patient:innen sicherlich Unkonzentriertheit wahrgenommen. Tilidin sei dann zum Abend des 31.12.2019 nicht mehr gegeben worden.

Auf die anschließenden Fragen der Nebenklagevertreterin, ob die Behandlung ihres Mandanten eine andere gewesen sei, wenn die Verletzungen richtigerweise als Durchschuss erkannt worden seien, erklärte Dr. H., dass sie nochmal kritischer geschaut hätten, ob der Weg dazwischen hätte aufgeschnitten werden müssen. Aber in dieser Situation wäre dies wohl eher nicht gemacht worden. Die Gefahr bei solchen Verletzungen im subkutanen Fettgewebe seien eher die drohende Infektion durch Verunreinigung und den thermischen Effekt.  Daher sei Antibiotika verabreicht und eine Beobachtung von 3 Tagen angeordnet worden.   Bei der Verletzung am Arm sei ein Aufschneiden eher unüblich. Am Bauch wäre es etwas anderes gewesen. In jedem Fall gab es aber großzügige Antibiotikagabe.

Auch hätten die Fehleinschätzungen im Krankenhaus, welche auf Basis der Fehlinformationen durch die Polizei vor Ort beruhte, für den Heilungsprozess keine negativen Auswirkungen gehabt.

In der Befragung des Dr. H. durch Bähners Verteidigung traten dann noch weitere interessante Aspekte zum Zusammenspiel von Polizei und Medizin zu Tage:

Zum einen wurde deutlich, dass der Mediziner die Fotos der Verletzungen angefertigt hatte, welche die Polizei für ihre Ermittlungen verwendete. Von den Beamt:innen vor Ort wurde also keine eigenen Aufnahmen zur Beweissicherung angefertigt.  Weiter wurde die Frage, ob Dr. H. eine Vernehmung seines Patienten durch die Polizei auch mal untersagen würde, durch den Mediziner deutlich verneint.

Ein Verhinderungsgrund wäre nur, wenn der Patient beatmet wird und nicht reden kann. Alles andere überlasse ich der Polizei. Die muss dann entscheiden wie aussagekräftig die Aussage unter den Umständen ist.

Auch die Frage ob der Polizei als Grundlage für ihre Einschätzung mitgeteilt werden würde welche Medikamente den Patienten verabreicht worden seien und welche Wirkung diese hätten wurde klar verneint. Dies sei standardmäßig nicht der Fall.

Diese Aussagen sind besonders vor dem Hintergrund interessant, dass die Polizeibeamt:innen die Krys in der Tatnacht und am Morgen nach der Tat im Krankenhaus vernommen hatten im Laufe des Prozesses ausgesagt haben, dass sie die Patient:innen vernehmen würden, solange die Mediziner:innen dies zuließen.

In der Regel würde der behandelnde Arzt vorab gefragt, da erst dann zum Zeugen gegangen werden kann. Der Arzt habe ihr die Schussverletzung geschildert und dass kein Projektil gefunden wurde. Zum Zustand von Krys habe Polizeizeugin K. keine Erinnerung. Wäre der Zeuge nicht vernehmungsfähig gewesen, so hätte der Arzt sie aber nicht zu ihm gelassen, daher leitet sie ab, „dass da nichts gewesen sein“ wird.  [Unser Bericht über die Aussage der Polizeizeugin K am 5. Prozesstag, 10.12.2021]

Auch erklärte der Mediziner Dr. H. auf die Frage von Bähners Verteidigung, dass er sich dunkel daran erinnern könne, dass Krys während der Behandlung etwas von rassistischen Beleidigungen durch Bähner geäußert hatte.

Nach 15-minütiger Unterbrechung zum Studium des Arztberichts gab es seitens der Nebenklage und der Verteidigung noch ein paar wenige vertiefende Rückfragen zum Bericht des Arztes:

Die Nebenklage ließ sich bestätigen, dass die Angaben zum Tathergang, welche von einer verbalen Auseinandersetzung berichten, auf Basis des konkreten Berichtes des Patienten beruhten. Dieser habe ausdrücklich von einer verbalen Auseinandersetzung im Vorfeld des Schusses gesprochen, was auch so dokumentiert wurde.

Die Verteidigung Bähners hatte neben Rückfragen zum Beruf des Geschädigten auch noch Fragen zur im Arztbericht aufgeführten Mischtoxikation „C2 und Cannabis“.  Die augenscheinliche Hoffnung der Verteidigung auf Belege für den Konsum weiterer – bisher unbekannter Drogen – durch Krys musste aber von Dr. H. enttäuscht werden:  C2 bedeute lediglich Alkoholkonsum. Diesen hatte Krys bereits im Rahmen seiner Zeugenaussage am 1. Prozesstag bestätigt. Damals gab er an am Tatabend neben Cannabis auch Alkohol konsumiert zu haben.  Der Zeuge Dr. H. wurde unvereidigt entlassen.

4. Die Inaugenscheinnahme von Lichtbildern

Die Beweisaufnahme wurde durch die Inaugenscheinnahme von Lichtbildern fortgesetzt. Hierzu wurden verschiedene Lichtbilder mit rassistischen Facebook-Posts im Schnelldurchlauf, ohne dass die Betrachter:innen dem im Einzelnen folgen konnten:

  •     Lichtbilder von den Verletzungen von Krys
  •     Lichtbilder von Finger und Ellenbogen Bähners

Weiter wurden Screenshots von Facebook Beiträgen gezeigt, welche Bähner geliked oder kommentiert hatte:

  • ein Beitrag mit dem Titel: „Die Bilderberger lassen grüßen“,
  • ein Beitrag mit dem Titel „Das Rot-Rot-Grüne Reisebüro“, welcher der Regierung vorwarf Geflüchteten und Asylbewerber:innen Reisen in ihr Heimatland zu finanzieren.
  • ein Beitrag mit dem Titel: „Asylmissbrauch beenden, Ausschreitungen von Jugendlichen am Friedrich-Ebert-Platz in Porz“.

Weiter wurde das Foto eines gemalten Pappschilds gezeigt, welches die Aufschrift „Hier wohnt ein Mörder“ trug und eine Karikatur Bähners mit Waffe in der Hand und der Zuordnung zur CDU zeigte.

5. Weitere Beweisanträge

Im Folgenden wurden weitere Beweisanträge gestellt:

Die Vertreterin der Nebenklage forderte:

  • den Polizeibeamten Kriminalkommisar N. des PK 35, der politischen Abteilung der Polizei, zu laden. Er habe am 10. Januar 2020 Bähners Facebook Profil gesichert. Er könne daher weitere Angaben diesem machen. Insbesondere auch hinsichtlich einer Vielzahl von Eintragungen zum Zeitpunkt kurz vor der Tat.  Weiter könne dieser die Löschungen auf Bähners Facebook Profil bestätigen. ​​​​​​​ Bähner habe über sein Profil regelmäßige Öffentlichkeitsfahndungen der Polizei nach ausschließlich migrantischen Tätern geteilt.  Weiter beinhaltete das Profil auch viele politische Artikel Bähners, in denen er in kritischer Weise Bezug auf Migrationspolitik und Geflüchtete genommen habe. Diese Erkenntnisse und Ergebnisse der Auswertung seien vom bereits gehörten Polizeizeugen L., dem Leiter der Ermittlungen, entweder mangels Fachkenntnis oder aus Unterstützung der politischen Gesinnung des Angeklagten, im Rahmen seines Berichts nicht vermerkt oder berichtet worden. Stattdessen habe er in diesem lediglich Beiträge Bähners aus den Jahren 2017 und 2018 vermerkt. Weiter habe er die Erkenntnisse auch nicht der entsprechenden Fachstelle des Polizeipräsidiums zur Beurteilung vorgelegt
  • den Diplom Soziologen V. der Hochschule Düsseldorf zu laden. Dieser könne als Sachverständiger Angaben zur Einstufung der gesicherten Facebook Aktivitäten Bähners machen und diesem eine rechte bis rechtsextreme und migrantenfeindlichen Weltanschauung attestieren. Diese politische Analyse von Bähners Weltanschauung durch den Sachverständigen könne dazu beitragen den kurzen Schritt zwischen dem Äußern einer rechten Rhetorik hin bis zur tatsächlich ausgeübten Gewalt durch Bähner aus nichtigen Beweggründen zu belegen.  So könnten durch den Sachverständigen Parallelen zwischen Bähner und anderen Tätern mit ähnlichem politischem Hintergrund gezogen werden, welche u.a. zu dem Anschlag von Hanau am 19. Februar 2020 geführt hatten. Weiter könnten durch den Sachverständigen durch die Verbindung der politischen Weltanschauung Bähners zusammen mit seiner ausufernden Bewaffnung Rückschlüsse auf dessen Gefährlichkeit gezogen werden. Obwohl dieser sich hinter einer bürgerlichen Fassade verstecke. Insbesondere wurden in diesem Zusammenhang nochmals die 80 kg nicht ordnungsgemäß gelagerte Munition, die 4 kg Schwarzpulver und die Kriegswaffe genannt, welche in Bähners Haus gefunden wurden.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärte hierzu, dass ​​​​​​​er den Antrag zur Ladung des 1. Kriminalkommissars N. teile, eine Ladung des Soziologen als Sachverständigen jedoch als nicht notwendig erachte. Seiner Auffassung nach habe die politische Gesinnung des Angeklagten bereits durch die Sachkenntnis des Gerichts erfasst werden können.  Zur Vervollständigung des Bildes sei aber auch die vollständige Inaugenscheinnahme der Lichtbilder notwendig. Die gesamte Lichtbildmappe müsse genauer betrachtet werden um auch u.a. die Sympathien Bähners für das Portal „Journalistenwatch“ und die Bezeichnung einer Gruppe als „linksfaschistische Studenten“ zu belegen und somit den Gesamtkontext der von Bähner geäußerten und gezeigten Weltanschauung in Gänze erfassen zu können. Die Nebenklagevertreterin schloss sich diesen Forderungen der Staatsanwaltschaft an.

Die Verteidigung Bähners forderte das Verlesen und die Inaugenscheinnahme eines Schreibens von Bähners ehemaligem Verteidigers RA Wölky an die Staatsanwaltschaft.

Die Verhandlung wurde daraufhin bis 13:30 Uhr unterbrochen. Das wohlgemerkt, obwohl die Vertreterin der Nebenklage zuvor angekündigt hatte, um 14 Uhr aufgrund anderer terminlicher Verpflichtungen die Verhandlung verlassen zu müssen.

Fortgesetzt wurde die Verhandlung dann letztlich erst gegen 13:45 Uhr. ​​​​​Die Prozessbeteiligten erhielten ein weiteres Selbstlesepaket, daraufhin wurde die Verhandlung erneut für weitere 30 Minuten unterbrochen, um den Beteiligten Zeit für das Selbstleseverfahren zu geben.

Vor der Unterbrechung wurde erklärt, dass der Antrag der Nebenklage vom 21.12.2021, – betreffend die Leitstelle der Polizei – zurückgenommen wurde, da sich dies durch die Vernehmung der Polizeihauptkommissarin H. am heutigen Prozesstag erledigt hatte.

Weiter solle auf Wunsch der Verteidigung der Zeitungsartikel des KSTA vom 07.01.2020 eingeführt werden.

Die Verhandlung wurde um 14:20 Uhr fortgesetzt, ohne die Vertreterin der Nebenklage.

Es wurde zunächst abgefragt, ob die restlichen Prozessbeteiligten ausreichend Gelegenheit hatten um den Wortlaut der Urkunden aus dem Selbstlesepaket zur Kenntnis zu nehmen. Auch die Schöff:innen erklärten den Wortlaut durch Lesen zu Kenntnis genommen zu haben.

Der Zeitungsartikel Opfer erhebt schwere Vorwürfe“ – von Helmut Frangenberg und Tim Stinnauer – KStA vom 07.01.2020 wurde verlesen.

Es folgte eine Erklärung der Verteidigung zum Artikel:

Die beiden Journalisten hätten anscheinend mit den beiden Zeugen gesprochen, aber die beiden hätten in ihrem Artikel nicht die rassistischen Beleidigungen genannt.  Dies solle vom Gericht zur Kenntnis genommen werden.

In der Fortsetzung der Beweismittelaufnahme erfolgte eine weitere Inaugenscheinnahme des Facebookprofils Bähners. Die Screenshots wurden erneut durchgescrolled. Es waren Verweise auf „Sputnik-News“, geteilte Beiträge mit den Titeln „Einbahnstraßen Toleranz der Europäer – Asymissbrauch beenden“ und „Linksfaschisten gegen Rainer Wendt“   zu lesen und weiter ein Beitrag Bähners zum Thema Waffenrecht und Waffenlobby.

Zum Abschluss der Beweisaufnahme wurde festgestellt, dass der Angeklagte Bähner bislang nicht vorbestraft sei.

Das Gericht lehnte am Schluss des Verhandlungstages sämtliche Beweisanträge der Vertreterin der Nebenklage ab, die darauf abzielten, die Hintergründe der Tat und das rassistische Motiv des Täters aufzuklären

  • Weitere Angaben zu den Maßen der Mauer seien nicht nötig, auch sei es unklar ob der zu ladende Polizeizeuge D. – welcher damals die Fotos vom Tatort gemacht hatte – überhaupt Angaben zu Umfang o.ä. der Mauer machen könne.
  • Auch der Antrag vom ​​​​​​​21.12. zur Vernehmung der Polizeizeugin S. wurde abgelehnt. Es sei nicht ersichtlich, warum diese Angaben zu legalen Waffen des Angeklagten machen könne. Die Zeugin S. hätte nach Ansicht der Nebenklage Angaben zum Verbleib der beschlagnahmten legalen Waffen Bähners machen können. Dies sei nach Auffassung der Nebenklage schon allein aus Präventionsgedanken zu erfragen um einschätzen zu können, ob der Angeklagte tatsächlich auf eine Rückgabe seiner Waffen verzichtet habe.
  • Auch der Antrag vom 21.12. auf Vernehmung des Kreisinspektors für Waffen der Polizei Kerpen wurde abgelehnt.  Dieser habe zum Ursprung der Waffen recherchiert und das Ergebnis mitgeteilt. Der Amtsermittlungsgrundsatz zur weiteren Aufklärung des Verbleibs der Waffen zum Abgleich mit den Angaben des Angeklagten würde nach Auffassung des vorsetzenden Richters hier nicht greifen.
  • Weiter lehnte das Gericht die Beschwerde der Nebenklagevertreterin gegen den Verteidiger wegen der Beleidigung ihrer Person ab. ​​​​​​​Die Aussage des Verteidigers Günal, dass die Nebenklagevertreterin ihn in der Verhandlung am 12.11.2021 nicht aus akustischen, sondern aus intellektuellen Gründen nicht verstanden habe, stelle keine Straftat da. Aus Sicht des Gerichts liege keine Beleidigung vor. Es waren das Recht auf Meinungsfreiheit und die persönliche Ehrverletzung gegeneinander abzuwägen. Aus Sicht des vorsitzenden Richters bestand zum Zeitpunkt der Äußerung ein sich zuspitzender und hitziger Konflikt, in dessen Zuge es zur spontanen Aussage des Verteidigers kam. Diese sei im Rahmen einer schwelenden Auseinandersetzung getroffen worden. Das Merkmal der Schmähkritik sei hier nicht erfüllt.
  • Der Antrag aus dem heutigen Verhandlungstag zur Vernehmung KHK N.  bzgl. Bähners Facebook-Profils wurde abgelehnt. Das Profil sei bereits umfassend gesichtet und die Weltanschauung Bähners dadurch erwiesen. Die Aussagen zu aktuelleren Inhalten und zur professionellen Löschung wurden nach Ansicht des Vorsitzenden Richters bereits im Verfahren widerlegt. Der Zeuge KHK N. habe bereits in seinem Bericht mittgeteilt, dass es eben keine aktuellen Einträge und keine Hinweise für eine professionelle Löschung gab.
  • Der Antrag zur Anhörung des Sachverständigen Diplom Soziologen V. wurde abgelehnt,denn es fehle nach Auffassung des Vorsitzenden Richters an der Konnexität. Es sei nicht zu erwarten, dass der Sachverständige auf Basis der Facebook Einträge und der Waffenfunde auf das Weltbild des Angeklagten Bähner schließen könne. Dieser Zusammenhang sei für das Gericht nicht nachvollziehbar.

Der Antrag der Verteidigung das Schreiben des RA Wölky zu verlesen, wurde abgelehnt, da es keine Relevanz für das Verfahren hab. Auf die Ablehnung erfolgte eine Gegenrede der Verteidigung

Das Schreiben sei am 11.05.2020 von RA Wölky an die StA gegangen. Im Rahmen der Gegenrede zitierte die Verteidigung aus dem Schreiben:

„Sehr geehrter Hr. Staatsanwalt „CENGIZ“ („CENGIZ mit ? und Kringel und unterstrichen“) hier ist die besprochene Frist zur Stellungnahme keineswegs aus dem Blick geraten. Ich bitte um erneute Fristverlängerung bis zum Ende der Woche.“

Die Verteidigung führte aus, dass ihrer Auffassung nach dem Vertreter der Staatsanwaltschaft „hier irgendwie aufgrund seines Migrationshintergrundes persönlich betroffen ist und sich platt und plump beleidigt fühlt und deswegen einen Kringel macht und ein Fragezeichen. Daher die Frage wie objektiv der StA sein kann, wo doch KHK L., alles in seinem Abschlussbericht anders sieht als der StA.

Die Verteidigung forderte dies zu Protokoll zu geben, um in ihrem Schlussvortrag darauf hinweisen zu können, was ihrer Ansicht nach alles schief gelaufen sei in dem Verfahren gegen ihren Mandanten:

  • „Die Thermik,
  • unvorbereitete Vernehmungen, ohne eingelesen worden zu sein
  • Weiter ein persönlich betroffener StA“

Die Verteidigung ginge davon aus, dass der Staatsanwalt aufgrund der Falschbezeichnung seines Namens als „CENGIZ“ persönlich betroffen und beleidigt gewesen sei.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft nahm hierzu keine Stellung.

Das Schriftstück wurde in Augenschein genommen.

Die Kammer erklärte die Beweisaufnahme für geschlossen. Es sei davon auszugehen, dass sämtliche Anträge beschieden worden seien. Es sei keine Verständigung erfolgt und der Vertreter der Staatsanwaltschaft Cengöz erklärte heute nicht plädieren zu können, daher wurde die Fortsetzung der Verhandlung am 10.01.2022 um 9:30 Uhr in Saal 210 beschlossen.

Fazit: 

Im heutigen Verhandlungstag wurde nochmals deutlich, dass Bähner keineswegs überrascht davon war, dass die Polizei sein Haus umstellte. Weiter hatten er und seine Ehefrau den Polizeibeamtin in der Tatnacht auf Nachfrage mitgeteilt, dass sie unverletzt seien. Dies widerlegt erneut Bähners Notwehrthese.

Hinsichtlich der Zusammenarbeit von Medizin und Polizei ist erschreckend festzustellen, dass diese ausschließlich zum Nachteil des Geschädigten erfolgte. In Bezug auf die Vernehmung, den Tathergang, die Tatwaffe und die Vernehmungsfähigkeit des Geschädigten wurden entweder Falschinformationen kommuniziert (Waffenfund) und im entsprechenden Moment gar nicht kommuniziert (Vernehmungsfähigkeit). Beides hatte jeweils nachteilige Auswirkungen auf Krys.

Zunächst teilte die Polizei durch Telefonate mit dem Krankenhaus falsche Ermittlungsergebnisse vom Tatort mit, welche wiederum Grundlage der Behandlung wurde.

Dann wurde bzgl. Vernehmungsfähigkeit und der Wirkung der Schmerzmittel überhaupt nicht kommuniziert. Stattdessen verlies sich jede:r der Beteiligten  auf die Expertise der jeweils anderen Profession.

Einzig die schwachen Versuche der Verteidigung durch kritische Nachfragen den Geschädigten weiter zu diskreditieren, gingen nach hinten los. Der befragte Mediziner konnte die Aussagen des Geschädigten zu den rassistischen Beleidigungen und die Wirkung der Schmerzmittel bekräftigen. Die Hanebüchenen Vorwürfe der Verteidigung gegen den Staatsanwalt zeigten, dass diese mit ihrer Strategie am Ende angekommen ist und sich nunmehr offenbar an jeden Strohhalm klammert.

Zu kritisieren ist, dass der Vorsitzende Richter alle Anträge der Nebenklage ablehnte. Dies zerstörte alle Hoffnungen auf Aufklärung der Hintergründe der Tat und der Ungereimtheiten in der Ermittlungsarbeit der Polizei. Dabei wäre es zentral für das Verständnis von Rassismus, dass sich das Gericht damit befasst, wie und warum ein Kommunalpolitiker, Begeisterter Sportschütze und Ausbilder, Besitzer von großen Mengen legaler und illegaler Waffen und Munition und Befürworter von AFD-Politik zur Waffe greift und auf einen Heranwachsenden schießt, nur weil er sich von diesem gestört fühlte.

Auch wäre es für den Umgang mit Rassismus innerhalb der Polizei wichtig gewesen aufzuarbeiten, was dazu führte, dass die rassistische Einstellung Bähners durch die Beamt:innen nicht erkannt, bzw. die Erkenntnis darüber bewusst nicht weitergeleitet wurde und daher im Abschlussbericht des Ermittlungsleiters nicht auftauchte.

Hinsichtlich der Form der Ablehnung sämtlicher Anträge der Nebenklage ist deutlich zu kritisieren, dass durch die häufigen und langwierigen Unterbrechungen des Verfahrens am heutigen Verhandlungstag die Entscheidung über die Zulassung der Anträge der Nebenklage augenscheinlich wissentlich so lange verschleppt wurde, bis diese nicht mehr anwesend sein konnte. Insbesondere in Bezug auf die Negierung der Anerkennung der Beleidigung durch die Verteidiger Bähners ist dies zu verurteilen.