Wir sprechen heute im Namen der Initiative „Tatort Porz – Keine Ruhe nach dem Schuss“.
Wie einige von euch sicher mitbekommen haben, wurde vor gut einem Jahr ein damals 20-jähriger junger Mann angeschossen, der mit einer kleinen Gruppe von Freunden am Rheinufer in Porz chillte.
Nach Zeug:innen-Aussagen soll sich ein Anwohner von der Lautstärke der Jugendlichen gestört gefühlt haben. Daraufhin soll er mit einem Revolver bewaffnet aus seinem Haus gekommen sein und begonnen haben die Jugendlichen rassistisch zu beleidigen und zu bedrohen, bis er schließlich auf einen der vier Jugendlichen geschossen und ihn in der Schulter getroffen haben soll.
Zeug:innen hatten die Polizei verständigt und den Beamt:innen das Haus beschrieben, in welches der Mann nach der Tat zurückgegangen war. Bei der darauffolgenden Hausdurchsuchung im Haus von Hans-Josef Bähner fand die Polizei fünf scharfe Schusswaffen, von denen lediglich vier auf seiner Waffenbesitzkarte registriert sind. Die Tatwaffe besaß er illegal. Außerdem sei eine „nicht unerhebliche“ Menge an Schwarzpulver gefunden worden. Bähner selbst sei alkoholisiert gewesen.
Doch wer ist dieser Hans-Josef Bähner?
Er ist CDU-Politiker, der zum Zeitpunkt der Tat, wie auch die Jahre zuvor, als gewähltes Mitglied im Porzer Stadtrat saß. Auf dem Facebook-Profil „Hajo Bähner“, hinter dem der CDU-Politiker wahrscheinlich stand, wurden Beiträge über „Linksfaschisten“ und sogenannte „Gutmenschen“ verbreitet, Mit „gefällt mir“ markierte er das Profil von AfD-Chefin Alice Weidel. In den sozialen Medien wurde er von Rechten für seine vermeintliche Tat gefeiert.
Erst sehr spät übernahm der Staatsschutz die Ermittlungen gegen Bähner und kam letztlich nach fünf Monaten der Ermittlung zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass die Tat rassistisch motiviert war. – Wenn nach Ansicht der Staatsanwaltschaft auch „nicht ausschließlich“.
In der Anklage soll von Begriffen wie „Drecksausländer“ und weiteren fremdenfeindlichen Beschimpfungen Bähners zu lesen sein. Für uns vollkommen unverständlich lautet diese aber lediglich auf gefährliche Körperverletzung und Beleidigung, und nicht auf versuchten Totschlag. Dies wird damit begründet, dass er nicht alle Patronen aus der Trommel seines Revolvers abfeuerte.
Doch nicht nur die zögerlichen Ermittlungen sind auffällig.
Auch die Lokalpresse zögerte deutlich in ihrer Berichterstattung:
Über rassistische Motive und Beschimpfungen wurde über eine lange Zeit hinweg geschwiegen und der vermeintliche Täter als „netter älterer Herr“ beschrieben. Der Betroffene hingegen wurde als „polizeibekannt“ dargestellt und es wurde über seinen sogenannten Migrationshintergrund berichtet. Durch die Form der Berichterstattung wurde er auch mit Ruhestörern, Randalierern und Drogendealern in Verbindung gebracht, welche sich angeblich regelmäßig am Porzer Rheinufer aufhalten sollen.
Als sei es nicht schon unfassbar genug, dass ein Mensch angeschossen wurde und es sich hierbei um eine mutmaßlich rassistisch motivierte Tat handelte, wurde der Betroffene durch die Berichterstattung also zusätzlich noch diffamiert und prompt zum Täter gemacht.
Diese Täter-Opfer-Umkehr kennen wir nur zu gut – nicht zuletzt aus dem NSU-Komplex – und wir sind sie so leid!
Doch warum wurde über das Umfeld und die politischen Ansichten des beschuldigten Täters so lange geschwiegen? Ist es nicht interessant, dass Bähner mehrere Schusswaffen besitzt, unter diesen auch mindestens eine illegale? Dass er offen Sympathien mit der AfD zeigte und die Flüchtlingspoltik seiner Partei kritisierte? Natürlich ist es das. Doch genau diese Informationen wurden der Öffentlichkeit zunächst gezielt vorenhalten.
Woran das lag, wird ziemlich schnell deutlich, wenn man sich Bähners anwaltlichen Beistand näher anschaut: So hat noch am Tag der Tat der Kölner Medienanwalt Ralf Höcker die medienrechtliche Vertretung Bähners übernommen und dadurch gezielt eine ausgewogene Berichterstattung über den Tatverdächtigen verhindert. In der Kanzlei des ehemaligen Vorsitzenden der Werteunion in NRW, ist auch der ehemalige Chef des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen in beratender Funktion tätig.
Höcker ist bekannt dafür seine politischen Gegner:innen mit Unterlassungserklärungen und Klagen zu überziehen. Dies trifft auch regelmässig linke Medienkollektive und Tageszeitungen, die sich z.B. kritisch über die AfD äußern.
Die Beteiligung Höckers verheißt also nichts Gutes für die Berichterstattung über den anstehenden Prozess. Es ist zu erwarten, dass Höcker mit seiner Strategie versuchen wird, jegliche kritische Berichterstattung im Keim zu ersticken. Eine Gegenöffentlichkeit wird daher um so wichtiger sein! Auf die lokalen und auch überregionalen Medien können wir uns hier sicherlich nicht verlassen.
Wir fragen also die Staatsanwaltschaft, die Polizei, die Presse und andere Behörden: Warum wurde über die politischen Hintergründe der Tat so lange geschwiegen? Warum lautet die Anklage nur auf gefährliche Körperverletzung? Und warum ist der Tatverdächtige weiterhin auf freiem Fuß und nicht in Untersuchungshaft?
Stellen wir uns einmal vor, wäre es andersherum gewesen:
Was wäre wenn stattdessen der junge Mann auf den Politiker geschossen hätte? Wäre der Heranwachsene genau wie Bähner noch in der gleichen Nacht wieder freigelassen worden? Wäre die Anklage auch erst Monate später erhoben worden und so milde verlaufen? Und welche hetzerische Berichterstattung hätte es erst dann von Seiten der Presse gegeben?
Die Geschehnisse am Porzer Rheinufer und der Umgang von Medien und Justiz mit diesen im Nachhinein zeigen mit aller Deutlichkeit die Kontinuität von Rassismus und rechter Gewalt in unserer Gesellschaft: Der rechte CDU-Politiker wird beschuldigt auf erschreckende Art und Weise seinen politischen Ansichten Taten folgen gelassen zu haben.
Am 2. März beginnt der Prozess gegen ihn vor dem Landgericht Köln. Wir rufen euch alle dazu auf, Solidarität mit den von Rassismus Betroffenen zu zeigen und den Prozess mit uns zusammen kritisch zu begleiten. Nur eine starke Gegenöffentlichkeit kann verhindern, dass die Betroffenen des rassistischen Anschlags von Porz im Prozess zu Tätern gemacht werden.
Gemeinsam dem rechten Terror entgegentreten, denn niemand ist allein!
Alle zusammen gegen den Faschismus!