Man stelle sich einmal folgende Situation vor:

Ein angetrunkener Jugendlicher aus einem Außenbezirk einer deutschen Großstadt schießt einem Politiker einer konservativen Partei nach einem Streit miteinem Revolver in die Schulter.

Die Folge wäre voraussehbar:
– Haftbefehl wegen versuchten Mordes,
– PolitikerInnen sähen einen „Anschlag auf die Demokratie“,
– der Täter wäre keine 24 Stunden später in den meisten Tageszeitungen – mindestens auf Seite drei. Bei der Zeitung mit den Vier Buchstaben vielleicht noch nicht mal verpixelt
– Das Opfer erreichten Genesungswünsche aus der ganzen Republik.
– Talkshows würden angesetzt: „Was tun gegen Jugendkriminalität“?
– Rechte Trolle versuchten einen Shitstorm, meldeten vielleicht sogar Kundgebungen an…

Der junge Mann hat kein Geld für einen guten Straf- und Medienanwalt, die Eltern sind nicht in Deutschland geboren. – Schlechte Karten, bald
aus der U-Haft rauszukommen.

Doch diese Geschichte ist nur fiktiv.
Vertauschen wir nun jedoch die Rollen, ändert sich die Situation: aus Fiktion wird traurige Realität.

Und diese Realität zeigt, welche Rolle dein Geldbeutel, dein Aussehen und dein sozialer Stand dabei spielen, wie mit dir umgegangen wird. Das können wir im Fall Bähner sehen.

Vor einem Jahr kam es in Köln-Porz zum Schuss: der 72-jähriger CDU-Politiker Hans Joseph Bähner legte an und eine Kugel seines Revolvers traf den 20-jährigen Krys in der Schulter.
Die Patrone verfehlt nur mit Glück dessen Hauptschlagadern.

Kurz darauf wird der Politiker festgenommen, Alkohol in seinem Blut wird festgestellt. Zuhause werden fünf (!) scharfe Waffen gefunden. Eine davon im unerlaubten Besitz. Eine Mordkomission übernimmt.

Doch was dann geschieht, ist krass

1. Schon am nächsten Tag kommt der Politiker wieder auf freien Fuß – kein Haftbefehl. Außerdem wird nur wegen „gefährlicher Körperverletzung“ ermittelt.

2. Am Tag drauf dann die nächste juristische Abschwächung: So erklärte gehe man von einem „Rücktritt vom Tötungsdelikt“ aus. Dem Täter wird also zugute gehalten, den Jugendlichen dann letztendlich doch nicht erschossen zu haben, und dass er nicht noch einmal abdrückte!

Ob das anders herum genauso gewesen wäre?

3. Es kommt noch schlimmer: Der Politiker schweigt – und die Presse schweigt mit! Erst vier Tage nach der Tat erscheint der erste aussagekräftige Artikel in der Lokalpresse.
Die nennt jedoch den Namen des Täters nicht, stellt dafür das Opfer in ein negatives Licht, indem sie ohne Zusammenhang über eine vermeintliche „Drogenszene“ am Porzer Rheinufer spricht.

Die CDU Porz sowie die CDU Köln – sie bleiben einfach stumm. Wären sie nicht die Ersten gewesen mit dem Aufschrei, wenn es anders herum gewesen wäre?

Dann der nächste Coup: Der Politiker nimmt sich einen bekannten Medienanwalt – aus der Kanzlei Höcker. Höcker ist damals Pressesprecher der „Werteunion“, einer rechten Vereinigung innerhalb der CDU.

In letzter Zeit ist seine Kanzlei immer wieder in den Medien, da sie unter anderem die rechte AfD gegen den Geheimdienst „Verfassungsschutz“ vertritt. Besonders krass: in der Kanzlei arbeitet mittlerweile auch der
ehemalige Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen. Welcher Jugendliche aus Porz hätte das Geld und die Verbindungen zu so einer Kanzlei?

Und noch immer spielen die Medien mit: Keine überregionale Zeitung berichtet über den Fall. Erst 8 Tage später durchbricht der Schuss von Porz die bundesweite Bekanntheitsschwelle.

Verantwortlich dafür sind mutige Twitter-NutzerInnen. Der Name des Schützen , der Hashtag #Bähner „trendet“ bei Twitter auf Platz 1. Dann folgen auch die knappen überregionalen Nachrichten, jedoch
zurückhaltend. Kommentare findet man kaum.

Neun Tage lang gelang es also einer Allianz aus Kölner Politik, Staatsanwaltschaft, Lokalpresse und Anwälten, eine ungeheuerliche Tat so ziemlich unter der Decke zu halten.

Es ist offensichtlich: Wäre der Schütze ein junger mittelloser Migrant gewesen und nicht ein reicher deutscher Politiker, sähe vieles sicherlich ganz anders aus.

Der rechte Terror von Porz hält unserer kapitalistischen Gesellschaft den Spiegel vor:

Er zeigt, dass reiche Menschen in dieser Gesellschaft mit Hilfe von Medienanwälten einen Panzer um sich herum bauen können, dass die Polizei auf ihrer Seite steht.

Dass sie mit ihren Kontakten die Presse zu Zurückhaltung zwingen können.

Dass andere Parteien aus Klüngelei den Mund nicht aufmachen, wie auch zuerst hier in Porz geschehen.

Und dass sie mit ihrem weiß-sein die Berichterstattung auf ihrer Seite haben, da Journalisten nur allzu gerne in rassistische Denkmuster verfallen.

Für alle Menschen wiederum, die keinen dicken Geldbeutel haben, zeigt uns dieser Fall:

– Augen auf, sich selbst organisieren, eigene Medien von unten schaffen!

Wir haben vielleicht nicht das Geld auf unserer Seite, aber die Möglichkeit, unsere eigenen Netzwerke und Organisationen zu bauen. Denn wir sind viel mehr als „die da oben“.

Wenn wir von einem rassistischen Angriff hören – lasst uns dort hingehen und Kontakte aufbauen. So wie es auch in Porz geschehen ist.

Wenn wir uns vernetzen, uns zusammenschließen und unsere eigenen Medien-Organe schaffen, dann können wir mit Protesten und Berichten solche Ungerechtigkeiten noch lauter in die Welt hinaus schreien
– bis kein Anwalt, reaktionäre Partei und keine Geldbörse unsere Stimme mehr ersticken kann.

Gerechtigkeit für Krys!

Hoch die internationale Solidarität!