Am 5. November hat endlich der Strafprozess gegen den CDU-Politiker Hans Josef Bähner vor dem Kölner Landgericht begonnen. Wir waren als Initiative Tatort Porz bei den bisher 6 Prozesstagen vor Ort und wollen euch eine Zusammenfassung des bisherigen Geschehens geben.
Die Anklage gegen Bähner lautet auf gefährliche Körperverletzung, Verstoß gegen das Waffengesetz wegen des Besitzes illegaler Waffen und Beleidigung. Zusätzlich wird ihm ein rassistisches Motiv zur Last gelegt.
Bähner wird verteidigt von Mutlu Günal und Boris Krösing aus Bonn. Günal hat zweifelhafte Bekanntheit erlangt, weil er als DER Anwalt für Angeklagte in Islamismusprozessen gilt. Er hat unter anderem den Hassprediger Sven Lau verteidigt.
In den bisherigen Prozesstagen wurden zunächst Krys und seine Freunde als direkte Zeugen des Geschehens befragt. In der Folge sind jede Menge beteiligte Polizist*innen befragt worden und einige Sachverständige befragt worden.
Der Angeklagte Bähner äußert sich selbst nicht zum Schuss auf Krys und beantwortet auch keine Fragen. Sein Anwalt Günal hat allerdings zu Prozessbeginn eine sogenannte Einlassung verlesen. Darin wurden sehr viele persönliche Details über Bähners Lebensweg und seine langjährige „Sportschützenkarriere“ erzählt und dann seine Version des Abends wieder gegeben.
Diese Version basiert im Wesentlichen darauf, die Dinge die nicht mehr zu leugnen sind, möglichst wenig belastend darzustellen. Den Schuss auf Krys kann Bähner nicht leugnen, aber er gibt an, es hätte ein Warnschuss sein sollen und der Schuss hätte sich versehentlich gelöst, weil Krys ihn auf den Arm geschlagen hätte. Diesen angeblichen Schlag haben aber weder Krys und seine Freunde bestätigt – im Gegenteil – auch ein Rechtsmediziner und Gutachter bestätigte, dass sich ein Schuss nicht einfach so löst, sondern dass eine Schussabgabe – also das Abdrücken – ein aktiver Vorgang sei. Wie den Schuss kann Bähner auch den illegalen Waffenbesitz nicht leugnen, stellt es aber als angeblichen „Freundschaftsdienst“ gegenüber verstorbenen Freunden dar, deren Waffen nach ihrem Tod aufbewahrt zu haben. Dass er diese Waffen nicht gemeldet habe, sei lediglich ein Versäumnis, er habe das schon länger vorgehabt. Zusätzlich leugnet Bähner auch, dass er den Waffenbesitz und auch den Schuss, den Betroffenen in die Schuhe schieben wollte. In der Tatnacht hatte Bähner gegenüber zahlreichen Polizist*innen angegeben, dass er die Waffe im Garten gefunden und an sich genommen hätte, um sie am nächsten Tag zur Polizei zu bringen. Da allerdings bei der Hausdurchsuchung die Originalverpackung der Waffe gefunden wurde, hat er von seinem Anwalt erklären lassen, er wisse nicht, wie die Polizei darauf komme. Dass das eine offensichtliche Lüge ist, haben die Aussagen der Freunde gezeigt, bei denen mit dieser Begründung Schmauchspuren genommen wurden und auch die Aussagen mehrerer Polizist*innen, denen gegenüber Bähner diese Schutzbehauptung aufgestellt hatte.
Er ließ auch ausführlich von seiner Erfahrung als Sportschütze berichten. Das irritierte zunächst, denn sein Expertenwissen bezüglich der Benutzung von Waffen macht es schließlich unwahrscheinlicher, dass er ‚aus Versehen‘ einen nicht gewollten Schuss abgibt und macht seine Verteidigung dahingehend unglaubwürdiger. Nachdem wir aber am 4. Prozesstag die Fotos seines Schlafzimmers und seiner Kellerräume gesehen haben, werten wir die Hinweise auf sein „Hobby“ auch als Teil der Verharmlosungsstrategie. An vielen Stellen im Haus wurden diverse Waffen sowie kistenweise Munition gefunden, mehrere Revolver, Pistolen und zwei Langwaffen; zwei davon im Schlafzimmer. Allein in der Nachttischschublade Bähners , wurden mindestens 50 Patronen gefunden, die zu der mutmaßlichen Tatwaffe passen. Der Keller war ein regelrechtes Waffen- und Munitionslager, der Großteil davon frei zugänglich.
Zuguterletzt leugnet er auch ein rassistisches Motiv. Zu den Vorwürfen der rassistischen Beleidigung ließ Bähner betonen, dass er niemanden rassistisch beleidigt haben will. Es sei dunkel gewesen, die Männer hätten Kapuzen getragen und er sei geblendet gewesen von einer Laterne. Er hätte daher niemandem seine Herkunft ansehen können und hätte dies auch nicht an der Aussprache der Männer hören können. Bähner ließ zu dem erklären, dass er generell keine rassistischen Worte benutzen würde, er sei kein Rassist und wolle auch nicht als solcher verstanden werden. Seine Facebook-Seite möge vielleicht einen solchen Eindruck gemacht machen, dies sei aber nicht von ihm intendiert und ihm auch nicht bewusst gewesen.
Eine Entschuldigung oder Bedauern gegenüber Krys und seinen Freunden für die zugefügte Verletzung und den traumatischen Abend hat Bähner nie ausgedrückt. Ganz im Gegenteil zielt seine gesamte Verteidigung darauf, sich als freundlichen alten Mann zu stilisieren, der in seinem eigenen Zuhause bedroht und verletzt worden sei und der sich nur selbst verteidigen wollte. Die Freunde und der von ihm Angeschossene seien die Täter, er das Opfer. Sein Verteidiger Günal äußerte das am 1. Prozesstag im Übrigen genauso dem WDR gegenüber: Sein Mandant sei das eigentliche Opfer.
Dabei ist der Ablauf des Abends ziemlich klar. Bähners erste Aktion als er auf die vier Freunde zugeht, sind laut deren übereinstimmenden Aussagen rassistische Beleidigungen. Das äußert Krys schon bei einer ersten kurzen Befragung nachts im Krankenhaus, wird aber von den beiden Beamt*innen dahingehend nicht ernst genommen. Ähnlich verläuft eine längere Befragung am folgenden Morgen. Krys sagt auch hier, dass es rassistische Beleidigungen gegen ihn und seine Jungs gegeben habe. Da er sich aber nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnert und weil die Beamt*innen insbesondere an den Abläufen rund um den Schuss interessiert sind, lassen sie diese Informationen von Krys links liegen.
Anstatt diese ernst zu nehmen, hatte die Polizei Rassismus als Tatmotiv ausgeblendet. Dass das Motiv des Rassismus dann doch noch in die Ermittlungen einbezogen wird, ist vor allem der Initiative der Betroffenen selbst zu verdanken. Denn die Betroffenen sahen sich aufgrund der einseitigen und diffamierenden Berichterstattung gezwungen, den Weg an die Öffentlichkeit zu suchen, um sich und ihrer Version Gehör zu verschaffen und sich gegen die doppelte Viktimisierung durch die rassistische Berichterstattung zu wehren. Erst 11 Tage nach der Tat, nach Ausstrahlung eines Fernsehbeitrags, der die rechten Postings von Bähner auf seiner Facebookseite offenlegte, geriet die Polizei unter Druck und begann nun endlich, sich für die Hinweise der Betroffenen auf ein rassistisches Motiv zu interessieren.
Bei der Sicherung von Bähners Facebook-Profil durch die Polizei am Tag nach der Ausstrahlung des Fernsehbeitrags, sei dieses bereits umfassend und umfangreich bereinigt gewesen. Laut der Einschätzung eines von der Polizei damals hinzugezogenen Experten für Rechtsextremismus sei ein Laie in dem Umfang nicht in der Lage sie zu löschen. Hätte die Polizei Krys‘ Aussagen ernst genommen, hätten sie die Sicherung vielleicht vor dieser Bereinigung vornehmen können.
In diesem Zusammenhang zeigt sich auch das Versagen des zuständigen Ermittlungsleiters: dieser sah bis zu dem TV-Bericht keine Anhaltspunkte für ein rechtsextremes oder rassistisches Tatmotiv. Er sei selbst zwar kein Experte, wenn es um politisch motivierte Kriminalität gehe, habe die Spezialist:innen der Behörde aber nicht hinzugezogen. Trotz der selbst attestierten fehlenden Expertise hat er selbst die Einschätzung getroffen, dass „sich die Tat genauso abgespielt hätte, wenn die Beteiligten ‚optisch Deutsche‘ gewesen wären“. Zudem sprach er vor Gericht ständig von Fremdenfeindlichkeit oder Ausländerfeindlichkeit statt von Rassismus oder rechtsradikalen Einstellungen.
All das zeigt dass die Polizei nichts dazu gelernt zu haben scheint, wenn es um die Einordnung rechter und rassistischer Tatmotive geht. Und das, obwohl sie in den Ermittlungen zum NSU-Komplex schon einmal auf ganzer Linie versagt hat. Weder haben sie begrifflich und inhaltlich etwas dazu gelernt und haben ein Verständnis von den Funktionsweisen von Rassismus entwickelt, noch scheinen sie ein eigenes Ermittlungsinteresse dahingehend zu entwickeln. Sie agieren nur, wenn sie kritische Nachfragen aus Presse und Öffentlichkeit bekommen und einen Imageverlust befürchten – dann ist plötzlich „Thermik“ in der Dienststelle, wie es eine der Polizeizeug*innen ausdrückte.
Aber auch der vorsitzende Richter scheint wenig strukturelles Verständnis von den Wirkungsweisen von Rassismus zu haben. Bei Fragen der Nebenklage wiegelte er ab und reagierte empört auf Fragen zur Einordnung von Bähners Facebookposts als rechtsradikal.
Alles in allem müssen wir davon ausgehen, dass ein baldiges Urteil die gesellschaftlichen Produktionsbedingungen und die politischen Hintergründe für die Tat nur unzureichend aufarbeiten, wenn nicht gar negieren wird. Deshalb bleibt es wichtig, den Prozess zu beobachten und auch ein mögliches Urteil kritisch zu beleuchten. Klar ist, ein Strafprozess kann keinen gesellschaftlichen Rassismus verhindern oder beenden. Aber blinde Flecken und institutionelle Faktoren, die eine Aufarbeitung erschweren oder verhindern, können deutlich gemacht werden. Am 4. Januar geht der Prozess weiter. Wir zählen insofern auf euch alle. Bleibt mit uns dran, bleibt interessiert und bleibt solidarisch mit Krys und seinen Freunden!